„Eine 1. und 2. Liga in der NBBL wäre der nächste Schritt“
Henning Harnisch, Europameister von 1993, ist einer der „geistigen Gründungsväter“ der Nachwuchs Basketball Bundesliga. Auch auf seine Initiative hin ist die bundesweite U19-Liga 2006 ins Leben gerufen worden. Jetzt, zehn Jahre später, ist es laut des Vizepräsidenten von ALBA BERLIN Zeit für den nächsten großen Schritt in Sachen Nachwuchsförderung in Deutschland. Lest hier Teil I des großen Interviews mit Henning Harnisch, der jüngst für sein Engagement in der Nachwuchsarbeit mit dem „Goldenen Band“ ausgezeichnet wurde. Hier gibt es Teil 2 des Interviews.
Henning, wann hast Du das letzte Mal ein Spiel in der NBBL oder JBBL gesehen?
Henning Harnisch: Leider ist es so, dass ich in den vergangenen drei Jahren nie persönlich das TOP4 verfolgen konnte, weil wir in diesem Zeitraum mit ALBA BERLIN immer auf China-Reise waren. Ich schaue allerdings regelmäßig die Spiele unserer ALBA-Jugendteams in NBBL und JBBL, von daher bin ich auf dem Laufenden.
„Die Basis an hervorragend ausgebildeten, jungen deutschen Basketballern ist inzwischen viel größer“
Wie ist Dein Eindruck vom aktuellen Leistungsniveau der deutschen U19- und U16-Spieler?
Es ist kein Vergleich mehr zu den Anfangsjahren in der NBBL. Taktisch, athletisch und individuell sind die Spieler heute auf einem ganz anderen Leistungsstand als vor zehn Jahren, und das ist der Einführung der NBBL und später der JBBL geschuldet. Waren es früher vielleicht zehn Spieler pro Jahrgang, die auf einem hohen Level agiert haben, sind es heute fünfmal so viele. Die Basis an hervorragend ausgebildeten, jungen deutschen Basketballern ist inzwischen viel größer – das ist das Ergebnis einer professionelleren Jugendarbeit in den Vereinen und der gestiegenen Zahl an hauptamtlichen Jugendtrainern.
Gibt es weitere Erkenntnisse, wenn Du auf die Entwicklung der vergangenen zehn Jahre zurückschaust?
Als leidenschaftlicher Statistik-Gucker ist mir nicht verborgen geblieben, dass die Zahl der Spiele, die mit vielen Punkten Unterschied entschieden werden, stetig größer geworden ist. Krasse Punkte-Differenzen werden speziell in der regulären Saison immer normaler. Hier zeigt sich, dass die Jugendteams an Erstliga-Standorten größere Sprünge machen können als andere Vereine. Es ist ja bisweilen schon so, dass die Leistungsträger eines NBBL-Teams in der ersten Phase der Saison verstärkt in den Senioren-Teams in Regional- oder 2. Liga eingesetzt werden und erst zu den NBBL-Playoffs ins Geschehen eingreifen.
Welche Schlussfolgerung ziehst Du daraus?
Die Zeit ist reif für den nächsten Schritt. Meiner Meinung nach sollte in der NBBL eine 1. und 2. Liga eingeführt werden. Die Top-Vereine wären schon während der regulären Saison deutlich öfter gefordert als zurzeit, alle würden mitspielen wollen, und Ergebnisse mit bis zu 50 Punkten Differenz würden der Vergangenheit angehören. Unbedingt müsste eine Auf- und Abstiegsregelung eingeführt werden, um den sportlichen Wettkampf bis zum Saisonende zu gewährleisten.
„Keine Spiele mehr gegen Bayern oder ALBA? Ich sehe das große Ganze“
Für viele kleinere Vereine ist es aber ein Highlight, wenn sie während der regulären Saison ALBA, Bamberg oder den FC Bayern München in ihrer Halle begrüßen können. Diese Chance würde ihnen dann genommen.
Ich verstehe die Argumente der sogenannten kleineren Vereine. Auf der anderen Seite sehe ich aber auch das große Ganze. Es geht um die stetige sportliche Weiterentwicklung unserer beiden Jugendligen, und dafür ist die regelmäßige Competition auf Augenhöhe unabdingbar. Wem nützt ein Spiel in der NBBL-Vorrunde, das mit 40 Punkten Differenz endet? Keinem, weder dem Sieger, weil er kaum gefordert wurde, noch dem Verlierer, der sportlich keine Chance hatte. Die Frage lautet: Wie schaffen wir es, unsere Nachwuchsarbeit zukunftsfähig zu machen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene? Der sportliche Wert einer Nachwuchsliga ist dabei das wichtigste Kriterium.
Mit einer sportlich stärkeren „1. Liga“ in der NBBL wäre dann auch ein Wettbewerb für die besten Spieler der jeweiligen Jahrgänge gewährleistet, die derzeit vor allem in Seniorenligen Wettkampf-Praxis sammeln.
Zum einen das, zum anderen würde ich in diesem Zusammenhang auch die Altersbegrenzung in der NBBL zur Diskussion stellen. Meiner Meinung nach müssen die Spieler des derzeit ältesten NBBL-Jahrgangs regelmäßig in der ProA oder ProB spielen – warum also nicht gleich die Altersgrenze auf „U18“ senken? Andere europäische Nationen sind uns unter anderem auch noch voraus, weil sie ihre Talente früh an das Niveau auf Senioren-Level heranführen und ihnen Spielzeit in der 2. oder sogar 1. Liga gewähren. Ich sehe hier eine wichtige Rolle und eine große Verantwortung bei unseren ProA- und ProB-Ligisten als Bindeglied zwischen Jugendligen und 1. Liga. Sie müssen noch stärker als bislang in die Nachwuchsförderung eingebunden werden.
Lest Teil II des Interviews mit Henning Harnisch am kommenden Montag.
Interview: NBBL / JF, Fotos: DBB