Wohin entwickelt sich der Jugendbasketball?

Wohin entwickelt sich der Jugendbasketball? Mit dieser Fragestellung haben sich die Teilnehmer des Jugendbasketball-Symposiums am 24. und 25. Februar in Leipzig am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) beschäftigt.


Welche sind zukünftig die richtigen Altersklassen? Welche Wettkampf-, welche Spielformate gibt es im Breitensport im jugendlichen Bereich, damit die Kinder und Jugendlichen beim Basketball bleiben? Wie kann Basketball in Konkurrenz mit allen anderen Sportarten ein bisschen herausgestellt werden. Was könnte ein Alleinstellungsmerkmal sein? Über all diese Fragen tauschten sich erstmals in dieser Zusammenstellung Vertreter des Deutschen Basketball Bundes (DBB), der Herren- und Damen-Bundesligen, der NBBL und JBBL und aus den Landesverbänden gemeinsam aus. Auch Nachwuchs-Bundestrainer Dirk Bauermann nahm am Symposium teil.


„Wir haben in den letzten gut 15 Jahren Jugendbasketball ziemlich rasante Entwicklungen erlebt. Wir haben an vielen Stellen ganz viel gemacht, angefangen mit der Einführung der NBBL über die Verstärkung der Schulaktivitäten bis hin zur Minitrainer-Offensive“, sagte der DBB-Vizepräsident Stefan Raid. „Ich glaube, wir haben einen großen Schritt nach vorn gemacht, was die Attraktivität und die Beliebtheit von Basketball im Kinder- und Jugendbereich angeht. Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir schauen können und sollten, wie es weitergeht und uns gemeinsam darüber austauschen.“ Raid betonte, dass all diese Herausforderungen nur gemeinsam als Basketballfamilie zu meistern sei.

DBB-Vizepräsident Stefan Raid.
Alle Fotos: Uta Büttner



Mit zwei Impulsvorträgen wurde auf die anschließenden Workshops eingestimmt. So referierte Dr. Antje Hoffmann, Fachbereichsleiterin Nachwuchsleistungssport am IAT unter anderem über Talentidentifizierung und -entwicklung im Basketball. Wie schafft der Nachwuchs den Sprung in den Elitebereich? Wer hat Potenzial, was sind die Leistungsvoraussetzungen? Und wie kann möglichst vielen eine faire Entwicklungschance geboten werden? „Ein heiß diskutierte Thema sind die Altersklassen im männlichen Bereich“, sagte Hoffmann. „Vor allem im Bereich U15 aufwärts. Was sind die geeigneten Altersklassen, um die Leistungsentwicklung bestmöglich vorzubereiten?“


Um das Potenzial für den Elitebereich zu erkennen, müssten mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Dabei bestehe die Gefahr, dass einige Talente nicht erkannt werden. „Wenn wir Auswahlentscheidungen treffen, sollten wir darauf achten, dass es nicht um die aktuelle Leistung geht – denn die ist sehr stark vom Reifegrad beeinflusst –, sondern es muss uns um das Potenzial gehen.“ Talent heiße also, dass man das Potenzial für spätere Spitzenleistungen hat. „Man muss schon eine Art Rohdiamant sein, aber man muss auch den Willen haben, diese Leistungsvoraussetzungen zu entwickeln und an sich zu arbeiten“, erklärte Hoffmann. Viele Puzzleteile spielen eine Rolle. „Was am Ende einen erfolgreichen Spieler oder eine erfolgreiche Spielerin ausmacht, dazu gibt es sportartspezifisch nicht so viel Erkenntnisse“, erläuterte die IAT-Wissenschaftlerin. Aber es gebe übergreifende Studien, wonach ein Hauptmerkmal von erfolgreichen Superstars das Engagement, also Leidenschaft und Hingabe sind. Zudem erläuterte sie, dass für die Talententwicklung im Basketball ein langes vielseitiges Training besser ist als ein vorzeitiges sportartspezifisches.


„International spielt eine vielseitige Grundausbildung in mehreren Sportarten ein viel größere Rolle als in Deutschland. Aus wissenschaftlicher Sicht liegen aber ganz klar die Vorteile bei einer vielseitigen Ausbildung im Kinder- und Jugendbereich.“ Studien belegen, dass Spiel- und Zweikampfsportarten sehr komplex seien, „es gibt viele Leistungsvoraussetzungen. Man kann gut kompensieren. Es gibt verschiedene Athletentypen. Und für diese verschiedenen Athletentypen ist es auch möglich, erfolgreich zu sein.“ Nach einer Befragung habe sich ergeben, dass der Bereich der grundlegenden Bewegungsfähigkeiten eine große Rolle im Basketball spielt.


Für eine Talentidentifikation, so erörterte Hoffmann, sei es nötig, so viele wie mögliche Leistungsvoraussetzungen standardisiert zum Vergleich zu erfassen. In den Testergebnissen sollte dann aber auch immer der Reifegrad berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang nannte Dr. Hoffmann das Bio-Banding. Die Idee darin, im Wettkampf und Training nicht nach reinen Altersklassen einzuteilen und zu kategorisieren, sondern das biologische Alter zu berücksichtigen.



Dr. Antje Hoffmann.


Wie kann das Problem der Früh- und Spätentwickler*innen gelöst werden?


Die Ansätze dazu erläuterte später Marius Huth, Sportlicher Leiter des Berliner Basketballverbandes, genauer. Das Thema sei nicht neu und er verwies auf die Problematik, dass im DBB wesentlich weniger Mitglieder sind als in vergleichbaren Sportarten.


„Warum ist das Altersklassensystem eigentlich so, wie es ist?“, warf Huth die Frage in den Raum. „Ich habe keine Ahnung, ich kann es keinem erklären. Deshalb ist es sinnvoll, dass wir uns einmal zusammensetzen, ob das Sinn macht.“ Auch stellte er das Thema Spielsystem zur Diskussion. Viele Kinder hören mit dem Basketballspielen wieder auf, „weil anscheinend das Wettkampfangebot, das wir haben, noch nicht das passende ist, was überall hingehört.“


Huth stellte die Frage, „was sind denn eigentlich unsere Ziele?“ Er meinte, es müsse zum Beispiel normal sein, dass Deutschland bei einer Jugend-EM eine Medaille gewinnt und fragte, „warum ist das eigentlich nicht so? Was können wir ändern, um dahin zu kommen?“


Er meint, es sei ein strukturelles Problem. Zahlen zeigen, dass offensichtlich Spieler verlorengehen, die im vierten Quartal geboren sind. Denn in Deutschland sind selbst im Elitebereich solche kaum zu finden. Im weiblichen Bereich sei dieser Effekt nicht so stark zu beobachten. Grund sei natürlich, dass die Jüngeren häufig aufgrund ihrer geringeren Größe und Gewicht kaum oder gar nicht in Wettkämpfen eingesetzt werden und deshalb nicht gesichtet werden, „weil andere zu diesem Zeitpunkt eine größere Leistung zeigen.“ Das heißt, Spätentwickler fallen durch das Raster. Deshalb möchte er dafür Werbung machen, sich diese Kinder und Jugendlichen auch anzusehen. „Wir haben immer Lösungen für Frühentwickler.“ Sie können in den höheren Altersklassen spielen, „aber für die Spätentwickler gibt es keine Lösung.“ Die dürfen nicht in einer unteren Altersklasse spielen, in der sie körperlich eigentlich hingehören. „Ich möchte, dass wir von den komischen Geburtsdaten mal wegkommen.“

Marius Huth.


Am Ende führte Huth fünf Schritte auf, um die Problematik des biologischen Alters aus seiner Sicht lösen zu können. Erstens: Bildung/Aufklärung der Trainer und Eltern. Zweitens: sogenannte Schattenkader, das sind Spieler, die noch nicht so weit sind, um zum Beispiel an einer EM teilzunehmen, aber in der Zukunft. „Wir müssen überlegen, was wir mit Leuten machen, die aktuell noch nicht ready sind.“ Im Fußball sei dies schon normal. Im Basketball seien Huth noch keine Länder bekannt, die so etwas machen. „Wir könnten ja mal bei einer Sache die ersten sein“, sagte er. Drittens: sogenannte Entwicklungsspots, heißt, in einer Altersklasse dürfen auch eigentlich zu alte, aber eben Spätentwickler, mitspielen. Viertens: Bio-Banding. So möchte er die normalen Wettbewerbe nach chronologischem Alter nicht ersetzen, sondern er möchte sie ergänzen. „Es sollte immer mal wieder Maßnahmen geben, bei denen wie die Kinder biologisch einsortieren. Die körperlich spät Entwickelten und früh Entwickelten zusammenspielen lassen – und die in der Mitte. Ich glaube, das kann man ganz leicht in den Spielbetrieb implementieren.“ Als fünftes und letztes nannte Marius Huth das Thema der rotierenden Stichtage. „Damit sorgt man dafür, dass zum Beispiel ein Kind, was im vierten Quartal geboren wurde, mal der Älteste und mal der Jüngste ist. Es ist mir bewusst, aus Position des Landesverbandes bereiten viele dieser Themen Kopfschmerzen. Aber ich würde mich freuen, wenn wir einmal darüber diskutieren, ob man nicht vielleicht doch etwas davon umsetzen kann.“


Die beiden Vortragenden lieferten somit jede Menge Stoff, um in den anschließenden Workshops über die verschiedenen Themen diskutieren zu können. Dabei wurde unter anderem über Spiel- und Wettkampfformate, Mädchen-Basketball, Altersklassen im männlichen Bereich und die Entwicklung und Einbindung von 3×3 gesprochen.


Ein wichtiges Thema für den DBB-Vizepräsidenten Stefan Raid war auch die Engagementförderung im Jugendbasketball: „Wie können die Jugendlichen vom nur Spielen auch in die Verantwortung gebracht werden – als Schiedsrichter*innen, Trainer*innen, vielleicht auch in der Abteilungsleitung, damit auch die, die vielleicht sportlich nicht zur Spitze gehören, trotzdem ihre Heimat im Basketball behalten.“


Den Abschluss bildete am zweiten Tag ein Fachvortrag von Markus Dorrmann vom Deutschen Fußball Bund (DFB), der den Teilnehmenden das neue Kinderfußballkonzept des DFB und die damit verbundenen Wettkampfformate für die jüngsten Fußballer*innen vorstellte. Nicht nur in Augen von Stefan Raid sollte dieser erfolgreiche Kulturwechsel eines Spitzenverbandes den DBB und die im Jugendbasketball Aktiven motivieren, die Entwicklung in diesem Bereich ebenfalls weiter voranzutreiben.

PM: DBB