Throwback Thursday: Wilde Wendts, grandioser Giffey
In unserer Serie „Throwback Thursday“ blicken wir regelmäßig auf Highlights aus 17 Jahren NBBL- und JBBL-Historie zurück – heute auf das TOP4 im Jahr 2009 in Berlin, wo ALBA seinen ersten NBBL-Titel gewann – obwohl Zwillinge aus Paderborn etwas entschieden dagegen hatten…
Geschichten gab es viele zu erzählen rund um die TOP4-Endrunde 2009 in Berlin: Etwa, dass ALBA BERLIN, angeführt vom – jetzt ehemaligen – Nationalspieler und Weltmeister Niels Giffey (Foto unten), seinen ersten NBBL-Titel gewann. Oder dass der zweifache Champion TEAM URSPRING im Halbfinale scheiterte. In die Hirnrinde eingebrannt haben sich bei allen Augenzeugen aber die Auftritte von zwei abgezockten Zwillingen: Lars und Ole Wendt, gebürtige Schleswig-Holsteiner, hatten die Paderborn Baskets völlig überraschend zum ersten Mal ins TOP4 und damit unter die vier besten U19-Teams Deutschlands geführt. Von jenseits der Dreierlinie schossen sie zunächst Urspring und im Endspiel beinahe auch Berlin ab, doch lest selbst…
2008 hatte sich ALBA im Finale noch Titelverteidiger Urspring beugen müssen, jetzt hatten es die Albatrosse geschafft: Vor eigenem Publikum in der stimmungsvollen Sömmeringhalle holte das U19-Team der Albatrosse zum ersten Mal den NBBL-Titel. Gegner im Endspiel waren die Paderborn Baskets, die im Halbfinale sensationell den Doppel-Champion Urspring aus dem Rennen geworfen hatten!
Das Finale zwischen ALBA und Paderborn war schon feine Kost, doch in Sachen Intensität und Dramaturgie war das Halbfinale zwischen dem Titelverteidiger, der in der Saison 2008/09 durch die Kooperation mit den Berlinern erstmals als TEAM ALBA URSPRING firmierte, und den jungen Westfalen aus Paderborn das vorweggenommene Endspiel. Die Internatsschüler starteten im Stile eines Champions, waren sehr präsent an beiden Ende des Feldes und dominierten die Anfangsphase: Nach zehn Minuten hieß es 10:4. Paderborn unter seinem gewieften Headcoach Artur Gazaev hatte sich im Laufe der Saison den Ruf als eins der besten Distanzteams der Liga erworben, und das bestätigten sie im weiteren Spielverlauf. Vor allem die Zwillinge Lars (Foto unten) und Ole Wendt zögerten keine Sekunde, um von jenseits der Dreierlinie abzuziehen – auch wenn die Distanz zum Korb rund acht Meter betrug. Dank eines 15:2-Laufs lag der Underdog nach dem ersten Viertel plötzlich vorne (19:12).
Das zweite Viertel war eindeutig nur etwas für Defensivliebhaber: Einfache Punkte waren nicht erlaubt, es wurde auf beiden Seiten in der Defensive geackert, als ginge es bereits um die Deutsche Meisterschaft. Das Viertelergebnis sprach Bände: 6:5 für Paderborn.
Wendt-Twins eiskalt, Stummfilm im Urspring-Fanblock
An der Intensität in der Abwehrarbeit änderte sich auch nach dem Seitenwechsel nichts: Urspring drückte, um den Rückstand zu verringern, doch Paderborn befreite sich – oft in der Person von Lars Wendt – immer wieder mit schwierigen Würfen unter Zeitdruck aus der Misere. Am Ende der Partie sollte Lars Wendt vier von acht Dreiern und elf von 14 Freiwürfen verwandelt haben; er wurde so zum Matchwinner beim 63:52-Sieg der Baskets über Urspring. Plötzlich verstummt war nach Spielende die große Fan-Schar der Urspringer, die in der Crunchtime des Spiels selbst vor den Pressetischen nicht halt gemacht hatten und diese in eine Stehtribüne verwandelten, um ihre Jungs auf den letzten Metern noch nach vorne zu peitschen, doch umsonst…
Nach einer kurzen Nacht stand dann für die Baskets am folgenden Tag das Finale gegen den Hausherren ALBA BERLIN auf dem Programm. Die hatten in ihrem Halbfinale gegen den TSV Tröster Breitengüßbach nicht so hart zu kämpfen wie die Westfalen: Mit 70:48 setzten sich die Hauptstädter gegen die Franken durch, denen dadurch zum dritten Mal in Folge der Einzug ins NBBL-Endspiel verwehrt blieb. ALBA profitierte von seiner tiefen Bank, während vor allem den Wendt-Zwillingen im Halbfinale kaum Pausen vergönnt waren: Sollten die Baskets also schon im Halbfinale zu viele Körner gelassen haben?
Davon war in der ersten Halbzeit nichts zu spüren: Paderborn gewann das erste Viertel mit 19:14, und angetrieben von Lars und Ole Wendt – wobei ersterer im zweiten Viertel allein zehn Punkte markierte – baute Paderborn die Differenz in den zweistelligen Bereich aus (36:25, 17. Minute). ALBA hingegen traf vor dem Seitenwechsel keinen einzigen seiner acht Dreierversuche, was den „Coach des Jahres“, Henrik Rödl, auf der Trainerbank von ALBA zur Verzweiflung zu treiben schien.
Giffey übernimmt, Paderborn geht die Puste aus
Angesichts des Rückstands ihrer Jungs machten sich nun die zahlreichen ALBA-Fans immer lautstarker bemerkbar: Vor der prächtigen Finalkulisse von 2.100 Zuschauern packten die jungen Albatrosse in der zweiten Halbzeit in Sachen Intensität noch einmal eine Schippe drauf. Vor allem Niels Giffey übernahm nun das Zepter bei ALBA und markierte im dritten Viertel elf Punkte. Paderborn blieb jedoch unbeeindruckt und verteidigte seinen Vorsprung vor dem Schlussviertel (56:47).
ALBA bleibt ganze Saison ungeschlagen
Es sollte bis zur 38. Minute dauern, ehe die Berliner erstmals die Führung eroberten: Ein Drei-Punkt-Spiel von Giffey bescherte den Gastgebern das 67:65. Die Paderborner kämpften aufopferungsvoll, doch waren sie am Ende, auch aufgrund des intensiven Halbfinalspiels, einfach platt: ALBA behielt in der Crunchtime die Nerven und siegte mit 75:70 – der erste NBBL-Titel für das Berliner Nachwuchsprogramm war in trockenen Tüchern. „Der Titel ist die Krönung einer unglaublichen Saison“, gab Meistermacher Henrik Rödl (Foto oben), der mit Sprechchören von den Fans gefeiert wurde., anschließend zu Protokoll. „Wir haben mit dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft ein Ausrufezeichen gesetzt und bewiesen, dass ALBA im Jugendbereich hervorragende Arbeit leistet.“ Für die Albatrosse war es das i-Tüpfelchen auf eine perfekte Saison: Die Rödl-Truppe blieb in der gesamten Saison ungeschlagen, während die Paderborn Baskets als stolzer Vizemeister die Spielzeit abschlossen. „Uns hat in den letzten Minuten etwas die Kraft gefehlt, die Offensivrebounds von ALBA haben uns das Genick gebrochen. Dennoch ist der Vizemeister-Titel ein Riesenerfolg für uns“, so Baskets-Trainer Artur Gacaev. Im Spiel um Platz drei hatte sich zuvor Breitengüßbach mit 60:50 gegen Urspring durchgesetzt.
Wie gewohnt wurden im Rahmen des TOP4 auch die individuellen Awards verliehen: Neben Henrik Rödl (Trainer des Jahres) wurden Maik Zirbes (Trier, MVP), Jonas Wohlfahrt-Bottermann (Bonn/Rhöndorf, bester Verteidiger) und Alexander Blessig (FC Bayern, bester Rookie) geehrt.
Weltmeister Giffey, Headcoach Wendt
Und heute? Lars Wendt ist Headcoach der ETB Miners Essen, nachdem er seine aktive Karriere verletzungsbedingt im Alter von nur 26 Jahren beenden musste. Der heute 32-Jährige spielte als Profi für Paderborn, Schwelm, Jena, Bremerhaven und Schalke 04. Noch früher erwischte es Zwillingsbruder Ole, der 2015 seine Profi-Karriere (Phoenix Hagen, s.Oliver Baskets Würzburg) verletzungsbedingt beenden musste. Zuletzt trug Ole Wendt das Trikot der TSG Söflingen in der 1. Regionalliga Südwest (ab 2022), nachdem er zuvor für Paderborn und Herford in der Regionalliga West aktiv war. Niels Giffey spielt in der easyCredit BBL für den FC Bayern München und hat erst vergangenen Monat seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet. Im September 2023 wurde Giffey Weltmeister, in diesem Sommer belegte er mit der Nationalmannschaft Platz vier bei den Olympischen Spielen. 2022 gewann er EM-Bronze.
Hier gehts zu den bisherigen Throwback-Thursday-Teilen:
TOP4 2007: Ursprings Titel, Per Günthers Geburt
PM: NBBL gGmbH / JF
Fotos (Archiv): Camera 4